Denise bei Lovelybooks über »Lakeside Love«
Mel J bei NetGalley über »Love, finally«
Geboren und aufgewachsen im Saarland habe ich Englisch und Spanisch in Heidelberg und Informatik in Konstanz studiert. Ich liebe Sprache(n) und egal ob ich programmiere, übersetze oder eigene Geschichten verfasse, meine größte Freude ist es, wenn daraus Dinge entstehen, die das Leben angenehmer, schöner oder bunter machen. 😊
Wenn ich nicht gerade schreibe, lese ich gern, mache Yoga und singe im Chor. Außerdem mag ich Outdoor-Aktivitäten aller Art.
Mein erster Roman »Love, finally« ist im Juni 2018 erschienen, mein zweiter Roman »Lakeside Love – Herz über Bord« am 2. August 2021.
Lust auf ein paar Kostproben? Klicke auf die Bilder!
Im Garten gingen wie von Geisterhand wieder Lichter und Feuerschalen an. Ich legte den Arm um sie und führte sie im Strom der anderen Gäste zurück zum Haus. Die Musiker standen wieder auf der Bühne, bereit für den nächsten Song, »Leichtes Gepäck« von Silbermond. Sofia sah mich an.
»Kommst du mit?«
Ich schüttelte den Kopf. »Diesmal nicht. Will dir nicht die Show stehlen«, erwiderte ich augenzwinkernd.
»Als ob«, erwiderte sie neckend und reichte mir mein Jackett.
Dieses Mal wurde ich das Gefühl nicht los, sie tanzte für mich. Sie blieb am Rand der Tanzfläche, das Gesicht mir zugewandt, sodass ich sie die ganze Zeit über ungestört beobachten konnte. Jedenfalls bis Isabelle sich zu mir gesellte.
»Hätte nicht gedacht, dass ich diesen Tag noch erleben darf«, sagte sie.
»Was meinst du?«
»Du bringst nicht nur eine weibliche Begleitung mit, sondern scheinst auch noch ehrlich interessiert an ihr zu sein. Wenn ich’s mir recht überlege, habe ich dich so noch nie erlebt. Viele meiner Freundinnen würden ihren rechten Arm dafür geben, dass du sie so ansiehst.«
Ich musterte sie mit einem Stirnrunzeln. »Wieso sollten sie?«
Isabelle schnaufte. »Du hast keine Ahnung, oder?«
»Nein, was denn?«
»Antoine, du bist bei Weitem einer der attraktivsten Männer hier. Du siehst gut aus, du bist erfolgreich, du hast diese sexy Stimme, und entgegen allen Erwartungen scheinst du zu tiefergehenden Gefühlen fähig zu sein.«
»Äh, danke für das Kompliment«, erwiderte ich verwirrt. Ich hatte mich nie als gute Partie gesehen, schließlich wusste ich, wie es in mir drin aussah.
»Sie ist süß, so lebendig«, sagte Isabelle.
»Ja, das ist sie.«
Isabelle legte mir die Hand an den Arm. »Ich wünsch dir Glück«, raunte sie mir ins Ohr, bevor sie weiterging. »Du hast’s verdient.«
»Danke«, murmelte ich ihr verlegen hinterher.
Mein Blick wanderte zurück zu Sofia.
Milan lag mit Timmy im Arm und einem Bild von Clara in der Hand im Bett, als ich zum Gute-Nacht-Sagen in sein Zimmer kam.
»Geht’s dir gut?«, fragte ich ihn und kniete mich neben seinem Bett auf den Boden.
»Ganz okay«, antwortete er, obwohl Tränen in seinen Augen schwammen. »Ich vermisse Clara.«
»Ich weiß«, sagte ich, strich ihm über den Kopf und betrachtete mit ihm das Foto. Dass Milan Clara von klein auf beim Vornamen genannt hatte, hatte mich anfangs genauso befremdet wie Antoines »Mutter«. »Wo auch immer sie jetzt ist, sie ist sicher mächtig stolz auf dich!«
»Meinst du wirklich?«, fragte er unsicher. »Manchmal, wenn ich etwas Schönes erlebe, fühle ich mich schlecht, weil ich denke, ich bin froh, obwohl sie tot ist, und das ist gemein von mir.«
»Milan«, schalt ich ihn zärtlich und spürte selbst Tränen aufsteigen. »Clara würde dir das niemals übel nehmen! Im Gegenteil, sie würde sich nichts mehr wünschen, als dass du glücklich bist und dein Leben lebst.«
Er nickte. »Du hast recht. Sie konnte es nicht leiden, wenn man den Kopf hängen lässt.«
»Das klingt mir zu streng, Milan. Du darfst ruhig traurig sein, das ist doch ganz normal, aber du darfst auch fröhlich sein, wann immer dir danach ist.«
»Das Fußballtraining hat mir Spaß gemacht. Ich hab gemerkt, dass ich es vermisst habe.«
»Das ist schön. Da hat Antoine eine gute Idee gehabt.«
»Antoine ist schon cool«, stellte Milan fest. »Hast du ihn eigentlich geküsst?«, fragte er unvermittelt.
»Bitte?«, fragte ich entgeistert zurück.
»Hast du Antoine auf der Party geküsst?«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Luna hat gemeint, das könnte passieren. Weil ihr so ein schönes Paar seid und euch vielleicht ineinander verliebt.«
Dieses Kind! Etwas in mir scheute sich jedoch, Lunas Vermutungen rundheraus zu widersprechen, zumal sie der Wahrheit entsprachen. »Was würdest du denn davon halten?«
»Erst fand ich’s Mist, aber dann hat Luna gesagt, dass das doch gar nicht schlecht wäre, weil du dann für immer hier bei mir und Timmy bleiben könntest, und das wäre schön.«
Es fühlte sich so an, als wälzte ich mich bereits Stunden im Bett hin und her, aber der Schlaf wollte nicht kommen. Dafür bekam ich Durst. Leicht genervt schwang ich die Füße aus dem Bett und schlich in die Küche. An der Spüle füllte ich ein großes Glas mit Wasser, das ich in langsamen Schlucken austrank. Ich dachte an Sofia nebenan im Wohnzimmer, und die Verlockung, sie anzusehen, wurde plötzlich riesengroß.
Sollte ich wirklich? Nein, das konnte ich nicht bringen! Mich hatte sie allerdings auch schon in diesem Zustand gesehen.
Ich stellte das Glas in die Spüle und trat in den Türrahmen zum Wohnzimmer. Ein Streifen Mondlicht beleuchtete den Raum spärlich. Ich konnte lediglich sehen, wie sich Sofias Haar schemenhaft von ihrem Gesicht abhob. Ich ging näher heran. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Antoine, der Spanner, haha!
Sofia lag auf der Seite und war bis zum Hals in ihre Decke eingehüllt. Nur das obere Bein hatte sie darüber geschlagen. Ihr Haar fiel hinter ihr auf das Kissen, und ihr Mund war leicht geöffnet. Ihre Schulter hob und senkte sich im Rhythmus ihres Atems.
Ich hatte ewig keine schlafende Frau mehr gesehen, geschweige denn eine neben mir liegen gehabt. Sofias Anblick rief in mir eine tiefe Sehnsucht hervor. Ich wollte mich hinter sie legen, mein Gesicht in ihrem Haar vergraben, den Arm um ihre Taille legen und ihren Duft einatmen. Sicher würde ich dann sofort einschlafen können …
»Antoine?«, murmelte Sofia und blinzelte verschlafen.
Ich zuckte zusammen. Shit!
»Bist du das?«
»Ja, Sofia. Alles in Ordnung«, sagte ich leise. »Ich hab nur ein Glas Wasser geholt.«
»Ach so«, murmelte sie schläfrig.
»Schlaf weiter.«
»Okay.« Ihre Augen schlossen sich wieder.
Mit klopfendem Herzen ging ich zurück in mein Schlafzimmer und ließ mich bäuchlings aufs Bett fallen. Ich zog mir das Kissen über den Kopf und schüttelte mehrmals wütend den Kopf. Was war bloß mit mir los? Es wurde immer schlimmer.
»Du bist dabei, dich zu verlieben«, flüsterte eine leise Stimme in meinem Kopf.
Ohne mich aus den Augen zu lassen, stand er auf und drehte sich zu mir um. Ach du liebes bisschen! Was für einen Unterschied Kleider machen konnten! Antoine sah jünger aus, nahbarer und definitiv … äh … verdammt … äh … »ansehnlich« ohne Hemd und Anzughose, um es mal in Enjas Worten auszudrücken. Sein T-Shirt klebte zwar nicht an seinem Körper, ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass sich darunter ein gut trainierter Oberkörper befand. Seine Arme waren wohldefiniert, und seine blauen Augen ruhten immer noch auf mir, als wollte er erkunden, wie die Dinge zwischen uns standen.
»Guten Morgen, Sofia!«, sagte er.
Seine Stimme ging durch mich hindurch, wie ein Messer durch weiche Butter. Verdammt! »Morgen, Antoine!« Plötzlich war ich mir meines knappen geblümten Sommerkleids sehr bewusst, das mir ein paar Minuten zuvor als sehr gute Wahl für einen Bootsausflug vorgekommen war. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass in meinem Brustraum etwas zu schmelzen begann. Ich wollte lieber nicht darüber nachdenken, was das genau war, daher schob ich schnell hinterher: »Du bist ja da.«
»Ich hab Brötchen geholt. Nadeschda hat uns einen Nudelsalat für die Bootstour vorbereitet, aber um den Rest müssen wir uns selbst kümmern.«
Wieder stand ich nur reglos da. Frustriert stampfte ich innerlich mit dem Fuß auf. »Erde an Sofia! Das hier ist Antoine Delatour! Workaholic und emotional blockiert«, rief ich mich zur Räson. Aber warum wurde mir dann so warm, wenn sich unsere Blicke kreuzten? Das war krank! Ich war krank! »Das liegt bestimmt am Stress der letzten Wochen«, versuchte ich mich zu beruhigen.
»Sorry, wir sind ein bisschen früh dran«, sagte Enja und sah mich besorgt an. »Hast du geweint?«
Ich nickte.
Jetzt sah auch Luna besorgt zu mir hoch.
»Milan ist im Garten«, presste ich hervor und merkte, wie sich eine Flut von Tränen nach oben kämpfte. Ich schluckte hart dagegen an.
Enja nahm mir das Tablett ab und stellte es auf die Eingangstreppe. Dann umarmte sie mich, und meine Dämme brachen.
»Ist etwas mit Milan?«, fragte sie.
Ich schüttelte schluchzend den Kopf.
Sie schob mich an den Schultern ein Stück von sich weg, betrachtete einen Moment mein Gesicht und fragte verärgert: »Was hat er getan?«
Ich wusste, dass sie Antoine meinte und schluchzte auf. Ich musste ihr unbedingt sagen, dass alles in Ordnung war.
»Gestern war doch alles in Ordnung. Antoine hat den Hund gerettet. Milan hat gesprochen. Was ist passiert, Sofia?«, drängte Enja.
Luna kam um die Ecke geschossen. »Mama, Antoine baut Milan ein Baumhaus!«, schrie sie aufgeregt und war schon wieder verschwunden.
Ich schluchzte erneut auf.
»Ist das wahr?«, fragte Enja mich.
Ich nickte und heulte nur noch mehr. »Warum weinst du dann?«
»Ich … ich bin so erlei …hei …heichtert!«
»Ach, Süße«, sagte Enja. »Ich möchte wirklich nicht in deiner Haut stecken.« Sie schloss mich erneut fest in die Arme. »Aber du und Milan habt schon viel geschafft. Den Rest kriegt ihr auch noch hin.«
»D …danke, Enja«, hickste ich.
»Komm, ich trag das Tablett nach hinten, und du gehst dich ein bisschen frisch machen. Muss noch was von oben geholt werden?«
Ich nickte.
»Ich komme gleich nach und helfe dir«, sagte sie, hob den Kuchen auf und ging in den Garten.
Beim Anblick der Kinder stockte mir der Atem. Das Brett war offensichtlich schwer. Luna schwankte und Milan lehnte sich so weit nach vorne, dass ich Angst bekam, dass er gleich kopfüber vom Baum fallen würde. Beide hatten krebsrote Gesichter vor Anstrengung. Luna sah uns, erschrak, kam ins Wanken und hielt sich instinktiv mit der Hand an einem Ast fest. Das Brett krachte erst auf die Bank und dann zu Boden. Zum Glück hatte Milan es losgelassen und war nicht hinterhergefallen.
»Luna Wilhelmine Marx!« Enja hatte die Hände in die Seiten gestemmt. »Was zum Teufel macht ihr da?«
Schnelle Schritte knirschten hinter uns über den Kies. Antoine kam den Weg entlanggelaufen. Vermutlich hatte er den Krach gehört, mit dem das Brett auf die Bank geschlagen war. Er starrte erst die Bank und das Brett und dann die Kinder an.
»Wir bauen ein Baumhaus«, rief Luna und winkte Antoine zu. »Guten Tag! Bist du Milans Vater?«
Antoine deutete ein Nicken an.
»Lenk nicht ab, Luna!«, sagte ihre Mutter. »Wie seid ihr überhaupt da raufgekommen?«
»Wir haben uns auf die Bank gestellt, und Milan hat mir Räuberleiter gegeben, dann ist er auf die Lehne geklettert und hat sich hochgezogen.«
Enja schüttelte den Kopf. »Wieso hab ich auch gefragt?«, murmelte sie. »Ihr kommt jetzt sofort da runter.«
Luna sah unschlüssig nach unten. Der Abstieg schien ihr nicht geheuer zu sein. Bevor Enja oder ich jedoch reagieren konnten, stieg Antoine auf die Bank und streckte die Arme aus. Luna ging in die Hocke, streckte ihm ihrerseits die Ärmchen entgegen und ließ sich von ihm herunterheben. Ihr Gesicht schmiegte sich an seinen Hals.
»Das ist lieb von dir, Milans Papa. Du riechst gut.«
Antoine versteifte sich. Ich hielt mir Nase und Mund zu, um nicht loszuprusten.
»Außerdem scheinst du sehr stark zu sein«, fuhr Luna fort. »Kannst du nicht mit uns ein Baumhaus bauen?«
Nach unserem Mittagssnack gesellte sich ein dünnes, etwa gleichaltriges Mädchen mit kurzem rothaarigem Bop zu Milan und begann auf ihn einzureden. Dass er nicht antwortete, schien sie in keiner Weise zu stören. Sie folgte ihm durch das Wasser, und an ihrem Mund konnte ich erkennen, dass sie redete und redete. Nach ein paar Minuten hob Milan den Kopf und zeigte auf mich. Das Mädchen ließ ihn stehen und kam auf mich zu.
»Warum spricht er nicht? Ist er taubstumm?«, kam sie direkt auf den Punkt. Sie hatte einen kecken Gesichtsausdruck, und ihre Nase zierten zahlreiche Sommersprossen.
»Nein«, antwortete ich. »Seine Mutter ist vor ein paar Wochen gestorben, und darüber ist er so traurig, dass er aufgehört hat, mit anderen zu sprechen.«
Die Kleine nickte wissend. »Ich habe keinen Vater mehr. Ich glaube, er ist auch tot. Jedenfalls hat meine Mutter zu meiner Oma gesagt, er ist für sie gestorben.«
Ich konnte mir nur schwer ein Lachen verbeißen. »Das tut mir leid«, entgegnete ich so ernst wie möglich.
»Muss es nicht. Ich habe ihn nicht mal gekannt«, erwiderte sie. »Und wer bist du, wenn du nicht seine Mutter bist?«, bohrte sie weiter.
»Seine Mutter war meine Freundin. Wir waren sogar Nachbarn, und weil ich mich oft um Milan gekümmert habe, ist er zu mir gekommen, nachdem sie gestorben ist.«
Wieder nickte die Kleine. »Milan heißt er also. Hat er keinen Vater?«
»Mit Milans Vater ist es so ähnlich wie mit deinem. Bis vor Kurzem hat Milan ihn gar nicht gekannt, und jetzt soll er hier bei ihm wohnen. Du kannst dir bestimmt vorstellen, dass das schwer für ihn ist.« Wieder ein Nicken. »Ich bin mit ihm hergekommen, damit er wenigstens einen hat, den er kennt.«
»Das ist nett von dir«, sagte das Mädchen.
Ich lächelte sie an. »Ich habe Milan sehr lieb und möchte, dass es ihm gut geht.«
Wir sahen beide zu ihm hinüber.
»Ich werde dir helfen, dass er wieder fröhlich wird«, verkündete das Mädchen kurz entschlossen.
»Das ist jetzt aber nett von dir«, gab ich zurück. »Wie heißt du denn?«
»Luna«, sagte sie und streckte mir ihre kleine Hand entgegen.
»Hast du Sofia die Sachlage erklärt?«, fragte Ben.
»Ich habe ihr gesagt, dass es Schwierigkeiten in der Kanzlei gibt und ich die nächsten Tage sehr beschäftigt sein werde. Sie hat das ziemlich locker aufgenommen.«
»Bist du sicher? Vielleicht solltest du noch mal ausführlicher mit ihr reden.«
»Meinst du wirklich, ich soll sie damit auch noch belasten?«
»Ich würd’s tun«, riet Ben.
»Wenn ich sie das nächste Mal sehe, rede ich mit ihr. Könnt ihr mir die die nächsten Tage den Rücken frei halten?«
»Du kannst auf uns zählen. Vorerst«, sagte Ben und warf Marc einen Seitenblick zu.
»Wir erwarten, dass du dich danach richtig reinkniest.«
Ich nickte. »Hab ich vor. Danke!«
Ich lehnte mich beruhigt in meinem Stuhl zurück und trank noch einen Schluck.
»Was für ein Nachmittag! Ich hab immer noch ein schlechtes Gewissen. Der arme Milan«, sagte Ben.
»Du hättest sehen sollen, wie Sofia Antoine hinterhergeschaut hat, als er Mutter zum Tor gebracht hat. Wenn Blicke töten könnten …«, schmunzelte Marc.
»Oben hat sie ihn einfach stehen lassen«, grinste Ben.
»Schätze mal, mit deinem ruhigen Leben ist es vorbei, Bruderherz.« Marcs Grinsen ging mittlerweile auch von einem Ohr zum anderen.
»Haha!« Als ob ich das nicht selbst schon bemerkt hätte. »Danke für den Hinweis.«
»Ganz ehrlich, Mama, die ist mir ziemlich egal«, erwiderte ich genervt. »Nach dem gestrigen Treffen kann ich Clara voll und ganz verstehen. Einfühlungsvermögen und Mitgefühl scheinen für Antoine Delatour Fremdwörter zu sein, von seiner Mutter ganz schweigen! Wie kannst du ihn auch noch in Schutz nehmen?«
»Ich möchte dich lediglich ermutigen, hinter seine Fassade zu schauen und ihm eine Chance zu geben. Vielleicht hat er wirklich ein Empathieproblem – so wie du seine Mutter beschreibst, wäre das kein Wunder – vielleicht steht er aber auch nur unter Schock, genau wie Milan. So oder so sollten wir versuchen, ihm zu helfen. Wie wäre es, wenn ich ihm eine Mischung ansetze und sie dir am Freitag mitbringe?«
Ich verdrehte die Augen. Nachdem meine beiden Brüder, meine Schwester und ich, das Nesthäkchen, aus dem Haus gewesen waren, hatte meine Mutter eine Ausbildung zur Heilpraktikerin mit Schwerpunkt Bachblütentherapie absolviert – sehr zum Leidwesen meines Vaters, der eine Autowerkstatt führte und mit dem »Esoterikkram« nichts zu tun haben wollte.
»Soll ich ihm das Zeug etwa in den Tee kippen wie du bei Papa?«
„Wenn Herr Delatour Tee trinkt, wäre das eine wunderbare Möglich …«
»Mama, das war ein Scherz!«
»Sofia, eine Bachblütenmischung könnte Herrn Delatour nicht nur helfen, den Schock über seine neue Lebenssituation, sondern auch seine emotionale Blockade zu überwinden. Und wenn es nicht wirkt, hast du es wenigstens versucht. Denk an Milan.«
Ich seufzte. Meine Mutter war schlau. Sie wusste, dass ich für Milan alles tun würde.
»Also gut, bring das Zeug mit. Ich werde versuchen, es ihm unterzujubeln.«
Ich stellte mir vor, wie ich auf Antoine Delatour zuging und sagte: »Meine Mutter und ich sind der Meinung, dass Sie lernen müssen, Gefühle zuzulassen. Nehmen sie hiervon viermal täglich vier Tropfen. Das wird Ihnen helfen.« Bei dem Gedanken daran zogen sich meine Eingeweide zusammen. Vielleicht trank er ja abends einen Whiskey. Der würde den Geschmack der Bachblütenauszüge besser als Tee überdecken …